Der perfekte Tag
Es ist ein besonderer Tag. Von dem ich nicht wusste, ob ich ihn ersehne oder gar, in einem Zustand: leiser und instabiler als gewollt, befürchte. Der Mann hat für drei Tage das Haus verlassen. Das erste Mal seit Januar, als ich wieder hier ankam, bin ich tatsächlich mal eine nennenswerte Menge an Zeit allein in dieser Wohnung. Das erste Mal seit Januar 2004, als wir hier einzogen, überhaupt, merke ich bei näherem Nachdenken!
Natürlich war ich in Erfurt ständig allein, wenn ich nicht gerade auf der Arbeit war, wo viel zu viele „falsche“ Menschen und falscher Sinn um mich herumstrichen. Aber in der Wohnung dort war ich nahezu immer allein. Durch den falschen Sinn der Tagesstruktur hatten auch diese einsamen Abende in der Wohnung meist den Anstrich des durch und durch Ver-rückten. Ich richtete mich nicht ein, ich harrte aus.
Aus der Bockenheimer Wohnung hat er sich in der gesamten Zeit immer nur für Stunden herausbewegt. (Die beiden Male, als er ohne mich in andere Städte fuhr, vor geraumer Zeit nach Heidelberg und kürzlich nach Hannover, führten irgendwelche Zufälle dazu, dass er dort nicht übernachtete, sondern noch spät wieder zurück kam.) Sonst waren wir zusammen unterwegs oder er einige Male in Erfurt, aber da war ich logischerweise nicht in der Bockenheimer Wohnung... Heute Morgen um sechs fuhr er los – und stellte damit einen Zustand her, den ich gar nicht kannte. Ich stand auf und hatte eine freie Wohnung, endlos freie Zeit vor mir. Einen PC in meinem Zimmer und den lap-top auf dem Esstisch. Es tut mir jetzt schon leid, dass ich nicht endlos so weiterschreiben kann – aus dem schlichten Grund, dass ich irgendwann die Konzentration verliere. Ich genieße es, wie ich hier sitze.
Das sind also drei geschenkte Tage. Die viel zu schnell vorüber gehen werden, weil ich nicht weiß, wann so etwas wieder kommt - sonst fände ich drei Tage für mich am Stück völlig ausreichend, wenn es sie eben immer mal wieder gäbe. Es ist tatsächlich für mich kaum aushaltbar, wie wir hier den Alltag verbringen. Beide Zuhause und in unstrukturierten Rhythmen natürlich auch mal draußen. Eine endlose, tagesfüllende Schleifspur. Aufeinanderhocken. Viele wechselnde, allzu oft unangenehme Gefühle von mir, sind dann das, was mir geschieht. Damit überhaupt etwas geschieht... Unkontrollierbar und verschwommen. Es tut mir nicht gut.
...
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Der perfekte Tag war das... Es gibt Dinge, Erlebnishaltungen, Tätigkeiten, die man sich solange ausmalt, dass, wenn der Zeitpunkt kommt, alles wie von selbst geht. Wie damals, als ich mir immer ausmalte, schwimmen zu gehen. Es fällt mir nicht leicht, in eine Hallenbad zu fahren, die ganzen Vorbereitungen durchzuführen und dann schlicht zu schwimmen. Als ich es mir lange genug ausmalte, da fuhr ich einmal ins Brentanobad und begann schlicht zu schwimmen und schwimmen und schwimmen. Wiederholen ließ sich das allerdings nicht.
Und so war es heute der perfekte Tag. Mit viel Schreiben, dann auf dem Sofa liegend Chakrenmusik hörend, dabei dösend. Und wunderbare Gefühle in mir strömend spüren. Das war Freiheit und Freude, die Freude über die Freiheit.
Ich stelle mir vor, wie es gewesen wäre, wenn diese lange Zeit (einmal Erfurt und zurück in schlappen zweieinhalb Jahren) nicht ich unter der Woche weg gewesen wäre in irgend einer Fremde, sondern hier. Und am Wochenende wäre dann, fast sicher wie das Amen in der Kirche, er gekommen. Oder ich wäre, weil es doch zuviel des faulen einsam Lenzens gewesen wäre, mir nichts dir nichts, früh und schnell zu ihm gefahren. In dieser Phantasie stelle ich mir vor, dass es mir sehr gut gefallen hätte. Ich hätte es viel mehr genossen als anders herum. Lebe ich spiegelverkehrt? Ich stelle mir vor, dass ich absolut anders auf die Wochenenden reagiert hätte, mit Engagement und erholt, anders als er in der gewesenen Realität. Das ist einerseits nicht ganz unwahrscheinlich, aber es ist doch nur eine Phantasie.
Es ist Phantasie, weil ich es umgekehrt so sehr nicht gekonnt hätte, dass so was sowieso noch nie in meinem Leben stattfand. Ich kann mich einfach nicht „verschulden“. Und verschulden heißt für mich, dass ich mich in einer Situation befände, in der es mir mutmaßlich besser ginge als dem nächsten Anderen. Und eventuell nicht von der Hand zu weisen wäre, dass in einem tätigen Verhältnis stünde, dass es mir besser ginge durch sein „Opfer“. Ich vermeide jede Konstellation, in der es so wäre. Deswegen lebe ich spiegelverkehrt. Lebte jedenfalls. Deshalb bringe ich Opfer, die weit über meine Kraft gehen oder jedenfalls über die Kraft, das einzusehen, was da passiert. Es muss eine Möglichkeit geben, aus solchen Spiegelverhältnissen auszusteigen. Spiegelverhältnissen, in denen es mir gar nicht gut gehen darf, weil ich mich dann verschuldet habe.
Er rief an. Ich erzählte kurz – er erzählte viel länger von seinem Trip, den vielen Pannen, einer gewissen Unkonzentriertheit oder einfach nur Ungeübtheit geschuldet, etwas, das mich ja auch oft faserig macht, wenn ich es bei ihm miterlebe... – kurz also erzählte ich, dass es mir sehr gut ergangen ist, weil ich ganz allein, nur mit mir beschäftigt war. Es tat mir fast ein bisschen weh, ihm das so zu sagen, als könnte es sich vielleicht nach Triumph anhören. Schlimmer: einer sein. Dabei ist es völlig richtig so – ihm zu sagen: Ja, ich brauche das – Zeit für mich ohne dich, ohne deine selbstgewisse Dauerpräsenz. Ohne den Stress verrückter Büroriten. Ohne auch: dafür „Urlaub“ machen zu müssen, nach irgendwelchen Regeln der Kunst in irgendeiner präformierten Fremde die Stunden zählen, die mir noch bleiben – für was? Ich brauche diese geborgene Freiheit mit mir, in einer kuscheligen Wohnung, deren Miete überwiesen ist, mit einem halbvollen Kühlschrank, einem Buch, einer Musik, einem lap-top. Nur für mich. Hin und wieder. Ich brauche auch: Zu wissen, dass du wieder kommst. Das ist gut so. Aber normal. Ich bin ja auch immer wieder gekommen.
Natürlich war ich in Erfurt ständig allein, wenn ich nicht gerade auf der Arbeit war, wo viel zu viele „falsche“ Menschen und falscher Sinn um mich herumstrichen. Aber in der Wohnung dort war ich nahezu immer allein. Durch den falschen Sinn der Tagesstruktur hatten auch diese einsamen Abende in der Wohnung meist den Anstrich des durch und durch Ver-rückten. Ich richtete mich nicht ein, ich harrte aus.
Aus der Bockenheimer Wohnung hat er sich in der gesamten Zeit immer nur für Stunden herausbewegt. (Die beiden Male, als er ohne mich in andere Städte fuhr, vor geraumer Zeit nach Heidelberg und kürzlich nach Hannover, führten irgendwelche Zufälle dazu, dass er dort nicht übernachtete, sondern noch spät wieder zurück kam.) Sonst waren wir zusammen unterwegs oder er einige Male in Erfurt, aber da war ich logischerweise nicht in der Bockenheimer Wohnung... Heute Morgen um sechs fuhr er los – und stellte damit einen Zustand her, den ich gar nicht kannte. Ich stand auf und hatte eine freie Wohnung, endlos freie Zeit vor mir. Einen PC in meinem Zimmer und den lap-top auf dem Esstisch. Es tut mir jetzt schon leid, dass ich nicht endlos so weiterschreiben kann – aus dem schlichten Grund, dass ich irgendwann die Konzentration verliere. Ich genieße es, wie ich hier sitze.
Das sind also drei geschenkte Tage. Die viel zu schnell vorüber gehen werden, weil ich nicht weiß, wann so etwas wieder kommt - sonst fände ich drei Tage für mich am Stück völlig ausreichend, wenn es sie eben immer mal wieder gäbe. Es ist tatsächlich für mich kaum aushaltbar, wie wir hier den Alltag verbringen. Beide Zuhause und in unstrukturierten Rhythmen natürlich auch mal draußen. Eine endlose, tagesfüllende Schleifspur. Aufeinanderhocken. Viele wechselnde, allzu oft unangenehme Gefühle von mir, sind dann das, was mir geschieht. Damit überhaupt etwas geschieht... Unkontrollierbar und verschwommen. Es tut mir nicht gut.
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Der perfekte Tag war das... Es gibt Dinge, Erlebnishaltungen, Tätigkeiten, die man sich solange ausmalt, dass, wenn der Zeitpunkt kommt, alles wie von selbst geht. Wie damals, als ich mir immer ausmalte, schwimmen zu gehen. Es fällt mir nicht leicht, in eine Hallenbad zu fahren, die ganzen Vorbereitungen durchzuführen und dann schlicht zu schwimmen. Als ich es mir lange genug ausmalte, da fuhr ich einmal ins Brentanobad und begann schlicht zu schwimmen und schwimmen und schwimmen. Wiederholen ließ sich das allerdings nicht.
Und so war es heute der perfekte Tag. Mit viel Schreiben, dann auf dem Sofa liegend Chakrenmusik hörend, dabei dösend. Und wunderbare Gefühle in mir strömend spüren. Das war Freiheit und Freude, die Freude über die Freiheit.
Ich stelle mir vor, wie es gewesen wäre, wenn diese lange Zeit (einmal Erfurt und zurück in schlappen zweieinhalb Jahren) nicht ich unter der Woche weg gewesen wäre in irgend einer Fremde, sondern hier. Und am Wochenende wäre dann, fast sicher wie das Amen in der Kirche, er gekommen. Oder ich wäre, weil es doch zuviel des faulen einsam Lenzens gewesen wäre, mir nichts dir nichts, früh und schnell zu ihm gefahren. In dieser Phantasie stelle ich mir vor, dass es mir sehr gut gefallen hätte. Ich hätte es viel mehr genossen als anders herum. Lebe ich spiegelverkehrt? Ich stelle mir vor, dass ich absolut anders auf die Wochenenden reagiert hätte, mit Engagement und erholt, anders als er in der gewesenen Realität. Das ist einerseits nicht ganz unwahrscheinlich, aber es ist doch nur eine Phantasie.
Es ist Phantasie, weil ich es umgekehrt so sehr nicht gekonnt hätte, dass so was sowieso noch nie in meinem Leben stattfand. Ich kann mich einfach nicht „verschulden“. Und verschulden heißt für mich, dass ich mich in einer Situation befände, in der es mir mutmaßlich besser ginge als dem nächsten Anderen. Und eventuell nicht von der Hand zu weisen wäre, dass in einem tätigen Verhältnis stünde, dass es mir besser ginge durch sein „Opfer“. Ich vermeide jede Konstellation, in der es so wäre. Deswegen lebe ich spiegelverkehrt. Lebte jedenfalls. Deshalb bringe ich Opfer, die weit über meine Kraft gehen oder jedenfalls über die Kraft, das einzusehen, was da passiert. Es muss eine Möglichkeit geben, aus solchen Spiegelverhältnissen auszusteigen. Spiegelverhältnissen, in denen es mir gar nicht gut gehen darf, weil ich mich dann verschuldet habe.
Er rief an. Ich erzählte kurz – er erzählte viel länger von seinem Trip, den vielen Pannen, einer gewissen Unkonzentriertheit oder einfach nur Ungeübtheit geschuldet, etwas, das mich ja auch oft faserig macht, wenn ich es bei ihm miterlebe... – kurz also erzählte ich, dass es mir sehr gut ergangen ist, weil ich ganz allein, nur mit mir beschäftigt war. Es tat mir fast ein bisschen weh, ihm das so zu sagen, als könnte es sich vielleicht nach Triumph anhören. Schlimmer: einer sein. Dabei ist es völlig richtig so – ihm zu sagen: Ja, ich brauche das – Zeit für mich ohne dich, ohne deine selbstgewisse Dauerpräsenz. Ohne den Stress verrückter Büroriten. Ohne auch: dafür „Urlaub“ machen zu müssen, nach irgendwelchen Regeln der Kunst in irgendeiner präformierten Fremde die Stunden zählen, die mir noch bleiben – für was? Ich brauche diese geborgene Freiheit mit mir, in einer kuscheligen Wohnung, deren Miete überwiesen ist, mit einem halbvollen Kühlschrank, einem Buch, einer Musik, einem lap-top. Nur für mich. Hin und wieder. Ich brauche auch: Zu wissen, dass du wieder kommst. Das ist gut so. Aber normal. Ich bin ja auch immer wieder gekommen.
wasserfrau - 25. Jul, 00:12