Freitag, 3. November 2006

Erzählen II

Und ich weiß, dass ich erzählen muss!
Meine Beobachtungen sind so kleinteilig geworden! Da ist ein bestimmtes Wetter, eine bestimmte Landschaft, Farbe, Klang und Raum. Und an diesem Tag, in dieser Stunde, Minute, im Moment: geschieht dies oder anderes, das Geplante genau nicht, weil es verschoben ist oder nur möglich. Schmiegt sich ein in die Bilder des Nun. Mein Inneres, vielleicht blau und wellig oder aber doch schwarz-rot gezackt nimmt Platz, so wie es gerade ist und auch wieder anders als manchmal. Andere Menschen, Gespräche, Kombinationen.
Alles ist einzigartig und dabei ein tausendbillionstel dessen, was auch möglich wäre, oder weniger noch.
Und meine Beobachtung ist so kleinteilig geworden, teilt, scheidet und denkt sich aus, wie es wäre bei anderer Ent-scheidung. Hier will das Beobachten zum Erzählen, denn sonst, beschäftigt mit einem „Warum? Warum nicht? Was wäre wenn? … oder gar: Was wäre besser/ schlechter?“ suppt die Vielfalt neuronal in sich, implodiert kleinkrämerisch, kapituliert genau falsch vor der Fülle, die anders erst recht entsteht.
Auf den Flügeln des Möglichen ist das Jetzt nur ein Hauch.

Erzählen

So viele Stimmungen und Veränderungen gehen durch mich durch, als wären es Länder und Völker und große Geschichten aus aller Zeit. Mein Inneres, mein Spüren, mein erstaunt Sein, und manchmal bestürzt oder doch erfreut, fast entzückt dann zu Zeiten: es ist nur eine Bühne all dessen. Nur weil sich in diesem Inneren irgendwo ein Magen aufhält, der rebelliert, wenn die Heere mit ihren Kämpfen und Festen durchmarschieren, zeigt sich deutlich, dass all dies auch anstrengend ist, fordernd.

Es ist interessant, genau hinzuschauen, was vor sich geht, Landschaften voller Energie und Bedeutung…
Erzählen würde ich gerne, schreiben und be-deuten, um wieder aufzulösen und sein zu lassen. Denn alles wirkt auch von selbst. Vielleicht werden Kriege begonnen – und was für welche – weil zu wenig oder gar nicht mehr erzählt wird. Wer erzählt, wird still, denn er muss auch horchen auf das Überlieferte, auf die Farben und Klänge und Wandlungen der Welt. Im Erzählen ist Alles oder Vieles möglich und nichts starr und endgültig. Kleine Jungen im alten Damaskus stelle ich mir dann vor, sie kauen auf einem süßen Naschwerk und halten gebannt den Atem an, wenn der Geschichtenerzähler spricht.

Doch wo sind die Mädchen, frage ich mich, in gepunkteten Kleidern und mit langen Zöpfen sehe ich sie, lebensfroh sind sie und sehr klug, aber im Haus vielleicht. Dass ich sie nicht richtig sehen kann, das fehlt, das fehlt immer noch. „Zur barmherzigen Schwester ist sie zu gut“, sagt Eduard über Ottilie, als er sie begehrt. Keine Krankenschwester soll es sein! Aber auch als Prinzessin kommt die freie Frau nicht daher!. Auch dazu ist sie zu gut! Und so fehlen sie oft im Bild und in den Landschaften mit ihren langen Haaren und frohen Sehnsüchten, da man sie schon vor-gesehen hat und die Tür verschlossen. Auch deswegen gibt es Kriege und Krankenschwestern und Prinzessinnen in der Welt.

Und meine Claire, über die bin ich stumm geworden, wo sie sich erst befreit zur Freien, die sie ist. Rothaarig und ohne Angst, zuversichtlich und ganz uneitel-stark. Muss sie doch im Innern, wo sie alles kann, längst, sich befreien von Zement und Kitt des Vor-gesehenen, bevor sie sich erzählt. Sie kann fliegen und ganz erdverbunden sitzen und rau sein, sie kann umarmen ganz und gar und doch auch als stolze einsame Kiefer stehen ganz oben und schauen allein. Ihre Befreiung ist meine, denn im Erzählen selbst sind die Winde die gleichen und die Früchte, die Bewegung und die Ruhe. Verschieden sind wir im Ungesagten, Ungelebten nur.

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