Räume und Menschen...

Ich sitze hier und weihe mein neues Zimmer ein, jetzt also doch! Das große Zimmer, das immer N.s Zimmer war. Ich sitze hier und kann diese frisch gewonnene Weite gar nicht fassen. Es deutet sich an, dass dieser Zimmertausch die ganze Beziehung verschieben wird.
Denn jetzt verzichte ich nicht mehr, ich habe beansprucht, immer nur klagend zwar, jetzt habe ich etwas bekommen.
Möglicherweise wird das zu größeren Konfusionen führen. Es deutet sich jedenfalls – mit einer tiefen und für mich dann doch überraschenden Verzweiflung bei N. – schon an. Das kleine Loch, das immer mein Zimmer war, weil ich mich halt lieber verschulde, das wird jetzt seins. Ich hatte mich auf das Nötigste reduziert, was meine raumgreifenden Besitztümer betrifft. Und doch wurde dieser kleine lange Schlauch mir irgendwann unerträglich, wie ein Grab. Mein Protest war eher passiv-aggressiv, ich hielt mich einfach ganztägig mit dem note-book in der Küche auf. Unsere Küche ist sehr schön, der beste Raum. Außerdem koche ich ja eh immer, da hat man´s nicht weit. Tja.
N. hat ungefähr doppelt so viele Sachen wie ich. Als ich aus einer Vierzimmerwohnung, in der ich allein stehend mit Tochter lebte, auszog, säumte zweimal mein Weggeworfenes unter dem Label „Sperrmüll“ die Straße fast bis zum nächsten Stadtteil, ich überantwortete mehr den polnischen Kleinbusbesitzern, die es freudig mitnahmen, als ich selbst behielt. Er hingegen zog aus einer kleinen Zweizimmerwohnung aus und behielt alles, außer vielleicht ein gebrauchtes Papiertaschentuch. Vielleicht. (In meiner Verzweiflung schenkte ich ihm sogar ein Feng-Shui-Buch, das, wo man Wegwerfen lernt…) Nachdem wir entschieden hatten, dass er das größere Zimmer bekommt und ich den Schlauch – ja, was hatten wir da eigentlich entschieden? Ich bin unfähig mehr als andere zu beanspruchen, jedenfalls bis vor kurzem gewesen, und ihm war es ein Leichtes, eben dies zu tun, was mich wieder fast brüskierte, man kennt ja diese Erwachsenenspiele, nachdem es also solchermaßen entschieden war, verwandelte sich das größte Zimmer dieser Wohnung ruckzuck in eine Art Hobbykeller mit einhundertfünfzigtausend Kabeln, überall herumfliegenden alten Zeitungen, und was weiß ich noch allem. Irgendwo dazwischen saß ein Mann, eingemauert von diversen Schreibtischen, Stapeln, Geräten: gutgelaunt. Das größte Zimmer der Wohnung wurde unbetretbar für mich.
Jetzt ist alles anders. Umgeräumt hat den ganzen Kram die letzten zwei oder drei Tage er. Keinen Finger habe ich gerührt, ich gebe es zu. Weil mir diese ausufernde Dingwelt im direkten Bezug zum dafür nicht vorhandenen Platz über den Kopf wuchs, ich gebe es zu. Seine Dingwelt, wohlgemerkt. Weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sein ganzer Kram in das kleine Zimmer passt und dann noch ein Mensch darin zu Recht kommen soll, ausgerechnet er, der so territorial ist.
Das Ergebnis ist einerseits phänomenal: Meine paar Möbel und Habseligkeiten in dem großen Raum, lassen ihn genau als Raum erscheinen. Schöööön. So schööön. Hier lässt sich jetzt richtig existieren. Leben auch. Andererseits: Wird das noch in der stimmungsmäßigen Katastrophe enden. Denn N., immer besserwisserisch und schon auch ignorant gegenüber solchen „Kleinigkeiten“, wie sie mir die ganze Zeit zu schaffen machten, sitzt nun wie eingekerkert in seinem neuen Zimmer. Es wird ihm nicht gefallen, er wird unleidlich werden. Er ist nach wenigen Stunden unleidlich geworden.
Man darf gespannt sein. Dieses Mal grinse ich. Vielleicht.
Wenn ich diesen Beitrag „Räume und Menschen“ überschrieben habe, dann ist das fast euphemistisch, denn in dieser, meiner amtierenden Beziehung spielt das Thema eine substantielle Rolle. Ich bin wirklich einer der am wenigsten raumgreifenden Menschen der Welt, ich leide unter Beschneidung, aber spät und leise. Wenn ich plötzlich mehr habe, zu meinem Guten, als jemand, der viel braucht – und wie selbstverständlich und: WIE UNREFLEKTIERT! …Wozu soll das führen?
Man darf gespannt sein. Mir geht´s gut…
rosmarin - 2. Sep, 01:44

wow..... ein rießen schritt.... ich bin nun auch gespannt, wie er sich in der kemenate einrichtet.
eine neue wohnung, mit großen räumen für alle be-wohner, wäre wohl eine zu profane idee?

wasserfrau - 2. Sep, 01:50

nein, keine profane idee, sondern mutmaßlich eine teure. unter den jetzigen gegebenheiten...

rosmarin - 2. Sep, 01:52

auch wieder wahr.
solche raum-ungleichgewichte können spannend sein, aber natürlich auch spannungen erzeugen. drücke die daumen auf spannende entspannungen... oder so ähnlich :-)
wasserfrau - 2. Sep, 02:02

ich bin auch gespannt! kürzlich war ich noch wie erschüttert von der schlechten laune, die das ausgelöst hat... aber jetzt bin ich einfach gespannt.
(ich muss wirklich darüber lachen, dass ihm so schnell etwas zu schaffen macht, was er als mein problem immmer nur für "schlechte laune" hielt. eben kommt es mir vor, als würde er keinen tag aushalten, was er nie verstanden hat. natürlich! kann man auch über andere wohnungen nachdenken. sogar über getrennte. ja, kann man. aber vielleicht erst jetzt.)

rosmarin - 2. Sep, 02:08

vielleicht ist seine laune ja auch nur eine hormonelle unpäßlichkeit?
die koppeln sich ja gern an kleine räumlichkeiten.
feix.
wasserfrau - 2. Sep, 02:10

och nö... der koppelt sich gerne an größere räumlichkeiten. das mag auch hormonell sein, aber in größerem maßstab. hat wie immer was mit der mutter zu tun:-))

rosmarin - 2. Sep, 02:15

ach so... verstehe.... die mutter war bös? oder zu lieb? oder zu klein, oder zu groß, zu sanft oder zu rabiat oder vielleicht auch zu gleichgültig. wie auch immer die mutter war. sie war einfach zu sehr....
ja? hab ich das so korrekt verstanden?
wasserfrau - 2. Sep, 02:35

sie war sehr lieb und er früh sehr groß. der besondere.
liegt aber nicht an der mutter, die ich auch nie kennengelernt habe, weil tot, sondern an der fixierung. kurzfassung. ist ja auch spät!!!! er war ein gut behandeltes kind. er ist ein gut behandelter mann, so sehr wollt ich dann auch nicht abweichen. er ist es eben sehr gewohnt. irgendwie hat er es auch verdient. aber darf sich auch mal einfühlen... das ist er halt nicht gewohnt. kurzfassung jetzt!
und mir geht´s auch vornehmlich um MICH. nicht immer zurückschrecken vor den gewohnheiten und ansprüchen und wasweißich der anderen. find´s einfach gut - jetzt - wenn es für mich richtig ist.

wasserfrau - 2. Sep, 02:38

p.s. nein, die mutter war nicht "zu....". wie gesagt, ich konnte sie gar nicht mehr kennen lernen. aber mutter ist vorbei. nur das.

rosmarin - 2. Sep, 03:05

ja klar. sorry, bin ich wieder zu fix vorgeprescht mit meiner vorlauten klappe. war auch nicht abwertend gemeint (auch wenn ich manchmal so klinge)
rpk - 7. Sep, 09:48

..und doch..

ich verspüre einen anflug von schuldbewusstsein...egal, wichtig ist die nominative kraft....


wasserfrau - 21. Sep, 14:02

Schuldbewusstsein?

wo meinst du?

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