Der weitaus größte Teil des menschlichen Wohlbefindens besteht aus einer beständig fortlaufenden Arbeit mit dem Segen, der darauf ruht, und der sie schließlich zum Vergnügen macht. Nie ist das menschliche Gemüt heiterer gestimmt, als wenn es seine richtige Arbeit gefunden hat.
Friedrich Wilhelm Christian Karl Ferdinand Freiherr von Humboldt, (1767 - 1835)
wasserfrau - 27. Okt, 13:54
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das Fehlen eines Teams, eines Eingebundenseins in ein Team über einen längeren Zeitraum. Dabei gibt es Teams, die untereinander immer mehr zusammenhängen als ich mit ihnen, andocken nur kann ich, kurz. Einzelkämpferdasein inmitten von Gruppen.
Und das noch in der Fremde.
Und das noch ohne Personalfürsorge, Anerkennung, Wertschätzung zu erleben.
Und das noch in einem sinnentleerten, ent-fremdenden Projekt.
Was war ich für eine Heldin. Das habe ich jetzt also gezeigt, dass ich einiges aushalte.
Heldinnen sind soziale Wesen.
Go for it!
wasserfrau - 26. Okt, 15:12
...und gibt den so passenden Rat...
Erkennen Sie Ihre Grenzen, setzen Sie Ihre Grenzen und übertreten Sie sie nicht. Ohne Druck von oben sondern freiwillig bewegen Sie sich innerhalb dieser Grenzen. Sie sind hier nur sich selbst und dem was Sie sagen verpflichtet. Sie kontrollieren sich selbst, anstatt kontrolliert zu werden. Sie treffen Vereinbarungen nur mit sich selber und halten diese auch ein. Sie sind nicht mehr länger ein Opfer von Schranken und Grenzen von außerhalb. Sie setzen sich Ihre Grenzen selbst.
wasserfrau - 8. Okt, 16:39
Ich fuhr mit dem Auto ins ungeliebte Erfahrungsgebiet. DLF brachte ein feature über Simone de Beauvoir und Jen Paul Sartre. Deren Beziehung.
Womit ich mich nie ernsthaft beschäftigt hatte, Sartre nix gelesen, die Beziehungsdisskussion mental verweigernd.
Nichts in diesem Beitrag sprach dafür, dass sie gelitten habe unter einer einseitigen Polygamie-Forderung. Sie hat andere geliebt (und mit ihm geteilt), Männer und Frauen hat sie geliebt. Vielleicht haben sie die Welt gemeinsam platt gemacht, mit iher Liebe, die Herrrschaft war, mit ihrer Exklusivität, die sie alles sprechen ließ, auch die Leidenschaft jener Außenstehenden besprechen, die sie genossen, und die dagegen nicht ankamen, gegen dieses Paar.
Es war mir anstrengend, dieses Schnelle des Begehrens, hin und wieder, das Paar, die anderen. Viele lange Jahre werden da in wenigen Radiominuten zusammengefasst. In das strömten meine Ängste vor dem Chaos.
Der Sender verweigerte sich mit der Zeit, irgendwo bei Eisenach, typisch. Und dann erst fühlte ich, als ich nicht mehr hörte, etwas ungeheuer Befreiendes.
Simone und ihre Stimme. Diese Freiheit des Körpers, die sie sich nahm. Ein viel schönerer Körper als seiner. Diese Freiheit, immer und überall geliebt zu werden, und doch gebunden zu sein.
Ich atmete Freiheit ins Radio und aus mir. Und merkte langsam die Vergewaltigung derer,
die die Federn ließen dafür.
Freiheit ist Freiheit und Leib. Sinn. Kein Modell.
wasserfrau - 3. Okt, 23:57
Der ganze Tag schon war seltsam gewesen. Die erste Krise nach zwei Wochen? Der Himmel hatte sich mehrfach zusammen gezogen, und obwohl es immer noch warm war am Tage und ich noch täglich schwimmen gehen konnte, lag eine modrige Abschiedsstimmung in der Luft. Die Blütenstauden warfen ihre Blätter ab, die tagsüber entduftend trockneten und von feuchten nächtlichen Regenschauern durchtrunken gleichzeitig eine erste Botschaft des Winters zu schicken schienen. Nachts hatte ich die zweite Decke gebraucht, und es wurde Zeit sich über das ungelöste Problem der nicht vorhandenen Heizung Gedanken zu machen.
Franca hatte hier zweieinhalb Jahre ohne Heizung gelebt. Ein paar Tricks entwickelt – und sich abgehärtet. Sie hatte das Leben hier kennengelernt. Und viele Leute hier lebten auch das Jahr durch ohne Heizung, die ärmeren. Wer Geld hatte natürlich nicht – und da hatte man sich in der Regel gleich richtig ausgestattet. Mit Fußbodenheizung, neoklassizistischen Kaminen und allem nur erdenklichen Schnickschnack. Ich hatte begonnen an Franca zu denken. Zunächst wollte ich sie einiges zum Haus und den Bewohnern des Ortes fragen, das wäre praktisch gewesen und hätte mir erste Anflüge der Einsamkeit genommen. So, wie ich mir, als ich sie kennenlernte und sie mit ihrer tiefen rauchigen Stimme von diesem Ort, diesem Haus sprach, alleine durch ihre Erzählungen nie vorstellen konnte, an diesem von ihr geatmeten Ort jemals einsam zu sein. Nun vermisste ich sie langsam, wie ich mir plötzlich eingestand. Und am Ende machte ich mir Sorgen. Konnte Sorgenmachen und Vermissen nicht mehr recht unterscheiden.
Ich fand allerdings schon immer, dass beides eng zusammenhängt. Hatte bei Menschen erlebt, wie sie die Sorge vorschoben, wenn ich meine Ruhe haben wollte. Hatte selbst erlebt, wie ich die vielen Sorgen, die ich wegen Roberts Situation am Anfang hatte, mit der Zeit von mir abstreifte. Als ich aufhörte, ihn zu vermissen. Den einzigen Disput mit Franca, als sie drohte ernsthaft böse zu werden, hatte ich an jenem vorletzten Abend auf der Terrasse in Playa Blanca gehabt, als wir beide neugierig waren und aufgewühlt, gespannt wie Flitzebögen auf das, was kommen würde, in der heiligen Allianz unserer geplanten Aufbrüche. Da hatte ich ihr nichtsahnend und mit der Tollpatschigkeit fast schon akademischen Rässonierens diese Theorie dargelegt, als sie von ihrer Sorge um Schuscha sprach. Sie kratzte mir fast die Augen aus, lies auch nicht ab von ihrem wilden Zorn, als ich sagte, wieviel Zartheit in dieser liebenden Sorge liegt für mich, und dass ich sie ganz gewiss nicht immer erpresserisch finde und... Franca explodierte stellvertretend für all die erloschenen Vulkane um uns rum. Und begann plötzlich zu weinen, heftig und zornig. Plötzlich verstand ich bis in meine Herzfasern hinein, wie sehr sie sich ängstigte, um das, was der Geliebten gerade widerfahren konnte. Und wie sehr ich sie, die autarke stolze Frau gerade gekränkt hatte. Ich legte meine Hand auf ihren Arm und sprudelte beschwichtigend. Sie stieß mich zurück und flüchtete durch die Gassen. Ihren langen Rock schien ich noch zu sehen, als ich später erschüttert den Blick wieder hob.
Am nächsten Morgen war sie ganz verändert, neu aufgeräumt und trotz der kurzen Nacht ausgeschlafen. Entschuldigte sich bei mir, lächelnd und bestimmt.
Ja, ich vermisste sie und ich machte mir Sorgen. Ihr Aufbruch war soviel riskanter als meiner, von einem in fast schon jeder Hinsicht tödlichen Ernst. Für mich war es dann doch ein Spiel, ein geschenktes, ehrliches, notwendiges Spiel.
Plötzlich klingelte mein Handy, das ich vor ein paar Tagen erst wieder aufgeladen hatte. Franca! Das war mein erster Gedanke. Liebevoll streifte ich die rotorangegemusterte Tischdecke glatt, als könnte sie sie durchs Handy sehen. Atmete durch und griff fast kokett, wie die Damen des Vorkriegsberlins nach ihrer Zigarettenspitze, nach meinem silbernen Tor zur Welt, bereit es in diesem Fall zu öffnen. Meldete mich, etwas übertrieben euphorisiert mit: „Jaaa, hier, Claire“. Am anderen Ende ein Lachen, lang, ausführlich und echt. Ein Männerlachen. „Na, du Ausreißerin...!“. Ich war perplex und brauchte überraschend lang um mit meinen anderweitig belegten Neuronen das Mosaik zusammenzusetzen. „Ach Sammy, du bist es“, stieß ich hervor und konnte nur hoffen, dass es nicht allzu enttäuscht klang.
wasserfrau - 4. Sep, 20:12
...sie hat post bekommen.

wasserfrau - 4. Sep, 19:29
Burimilluso, xx.xx.20xx
Lieber Sammy,
wenn dich nicht gerade Robert angerufen hat, was ich nicht denke, denn auf recht gutem Fuß standet ihr ja nicht (aber jetzt, jetzt traue ich ihm zu, dich anzurufen, weil er weiß, wenn jemand was weiß, dann du, und weil er sicher voller Fragen steckt...)
Wenn er dich also noch nicht, plötzlich ungeduldig anrief, dann sollte es doch noch zu schaffen sein, dass du tatsächlich von mir selbst „als erster“ erfährst, welche Veränderungen mein Leben ergriffen haben. Endlich! möchte ich die ganze Zeit schreien, auch wenn ich nicht weiß, wie es ausgeht. Sammy, du warst immer für Veränderung, als ich meinen Wagen schon fast an die Wand gesetzt hatte, du wirst also staunen.
Burimilluso gibt es nicht, aber so hieß der Ort, wo ich jetzt bin, als er eben noch so hieß. Ich mache vor dir kein Geheimnis aus meiner Adresse, du findest sie ja hinten auf dem Umschlag, googlen musst du nicht erst. Aber Burimilluso klingt doch nett, oder? Ich finde, es passt zu mir.
Ich kenne keinen Begriff über meinen Zustand, der Einfachheit halber würde ich sagen, ich habe mich abgesetzt. Es flog mir zu. Einfach so. Ich war bereit dafür, und dann war es ganz einfach, sich zu öffnen und von einem Wind verwehen zu lassen, an einen ganz anderen Ort.
Puuh.... Ich, ganz Claire geworden, ich war nun doch müde. Sammy sollte tatsächlich als erster einen Brief bekommen, er war ja auch der Garant dafür, dass man gehen konnte, und immer bedacht und unvergessen blieb, egal wo. Auf den Umschlag hatte ich schon geschrieben: Samuel Hirsch, xxx, Frankfurt am Main. In ihn war ich mal sehr verliebt, vor langer Zeit, und das war das einzige Schwierige, als wir beide noch nicht wussten, dass er ein Schicksal mit mir teilt: Männer zu lieben. Ausgerechnet. Ab da wurden wir die engsten Vertrauten: immer bereit uns gegen die Schmach dieser Männer ... Sammy war dann keiner mehr, nachdem er das auch noch seiner Familie, sehr strenges Geblüt, beibiegen musste, nachdem er die Türen nur noch öffnen konnte, für etwas, dass er lange unberührt halten wollte, danach war er alles, Mensch, Seele, Freund. Jedenfalls für mich. Sammy. Ach, ich seufzte. Hatte den rosafarbenen Umschlag in der Hand, den ich heute am kleinen Kiosk erstand, andererseits genau richtig, ich musste schwer grinsen, Sammy stand drauf, das war definitiv seine (scheußliche) Farbe... und, ach Mensch, alles wollte ich ihm schreiben, jetzt hier und auf der Stelle, aber die Augen fielen mir zu. Ich dachte, ich krieg eine Sehnenscheidenentzündung, wenn ich nur eine Sekunde länger den Stift hielte und aufs Papier drückte.
Ich gähnte. Ganz lang, legte den Stift hin, und begab mich ohne das Bad gesehen zu haben in die frischbezogenen roten Kissen. Morgen war auch noch ein Tag, und so würde es vorerst sein, es wuchs einfach von hinten Zeit nach, und der nächste Tag kam, empfing mich...
Der Tag morgen würde mit der Lust beginnen, diesen Brief weiter zu schreiben, aber auch mit anderen Lüsten. Allein, dass ich in die Bäckerei „musste“, mit diesen Wohlgedüften und der alten, faltigen, warmen Frau, allein deswegen war der nächste Tag jetzt schon begrüßt. Ich kuschelte, roch noch mal die Blüten durchs offene Fenster. Wo kürzlich noch ein Wecker war, war plötzlich Vorfreude, auf das was kommt.
wasserfrau - 17. Aug, 21:45
Burimilluso
wasserfrau - 16. Aug, 22:51
ist "eigentlich" blond, das finde ich auch.
eher rotblond, licht, früher war sie scheu, jetzt ist sie bestimmt.
Claire ist... ich weiß noch nicht genau.
gestern wollte ich sie noch festhalten, aber da wurde es etwas ganz anderes:
sie war nicht nur nicht blond:-)), sondern es passierte auch etwas Mirakolöses. da ich ja von photoshop noch (noch, noch...) keinen plan habe, drückte ich ein bisschen in der gegend rum, und da erschien im bild dieses dokument, wurde einfach eingefügt. und ich weiß nicht: woher? warum?
interessant.
dafür habe ich aber mittlerweile ein bild von claires haus gefunden, und seither weiß ich wenigstens, wo sie ist. zum glück,ich dachte schon, ich bekomms nicht raus...

wasserfrau - 16. Aug, 19:45
..als ich mir die Karten legte:
1) was ist gerade aktuell, ganz da?
2)was wirkt noch als hindernis?
3)was kommt auf mich zu?
natürlich alles bissi unscharf...

wasserfrau - 16. Aug, 19:24
Der Kleber war schon angerührt, da zuckte meine Hand. Der Vater hatte manchmal gesagt, mein Groschen sei kein Sturzbomber. Das hatte mich schwer getroffen, zu Zeiten. Sagt man sowas zu einem Kind? Jetzt war ich ein anderes Kind, ein neues, und ich dachte lächelnd an ihn. Ich hoffte es ging ihm gut, diesem geliebten, gefürchteten Kerl, der er war, und der erst zu Milde und Bedürfnis erwachte, als er alt war. Ich hoffte, es ging ihm gut, denn obwohl er nun der angenehmere combattant geworden war, hatte ich keine Zeit für ihn gerade. Er müsste verstehen und würde. Mit voller Absicht hatte ich keinen Telefonanschluss. Das handy hatte ich schon seit vielen Tagen nicht mehr angerührt, und müsste ernsthaft nachdenken, wo es ist. Dabei hatte ich es zur Notfallversorgung erklärt. Ich lächelte wieder. Welcher, bitte welcher Notfall.
Mein Groschen fiel wie ein Sturzbomber. Blitzlichtartige Erkenntnis. Diese Kachel, diese Claire, die würde immer bei mir bleiben müssen, egal wo und wie. Das war mein Immer. Sie musste hier befestigt werden, unverwüstlich – und dennoch jederzeit, noch vor dem handy abgezupft werden können für jeden Weg, der kam. Ich musste sie so befestigen, dass das alles möglich war. Ich nahm den Eimer mit dem Klebezeug beherzt, auch wenn ich ihn für Geld erwarb, und davon hatte ich gerade weniger als man sich denken kann, nahm ihn und warf ihn über den Zaun, wo die Nachbarn eine ansehnliche Müllhalde erzeugten. Das leistete man sich hier. Und auch, wenn ich noch mal in mich gehen musste, ob ich allen Verrohungen, die hier statt hatten, neben dem Lieblichen und Neuen, nachgeben sollte: jetzt war es richtig. Denn der blöde Klebstoffeimer versank zwischen einer verrosteten Autotür und einem verschimmelten Federbett, das ganze garniert von unzähligen Plastikflaschen. Versank für immer und ewig. Ciao. Ciao.
Mein Zaun war hoch. Und seltsam war es schon, wie nah hier alles beieinander war. Vor der hölzernen Tür, einen kieseligen Weg lang, blühten und dufteten Stauden, wie ich sie nicht kannte, verausgabten sich noch einmal, verströmten, sangen Arien eines Miteinanders von Menschen und Natur, wie es schöner nicht sein konnte. Wenige Meter entfernt diese Müllhalde, ein Inferno des Verbrauchten und Überflüssigen, wie es in Deutschland ordnungspolitische Maßnahmen größter Güte hervorgerufen hätte. Das wunderbare Prinzenpaar von gegenüber, so habe ich sie getauft, mit den Kindern, die aussahen, wie im Himmel modelliert. Jung, zart, Ebenholz. Und der Alte, der immer wieder an meiner kleinen Kemenate vorbeischlich, der bei jedem Schritt weinte, so weh tat es ihm, und so schlecht war seine Prothese. Beschissen schlecht, dachte ich zornig. Immer noch konnte ich zornig sein, auf all das, was so unsagbar schief läuft. Und dennoch, hierher, in dieses geschundene Paradies, kann man nicht kommen, wenn man Politkerin sein will oder Moralistin. Nur mit dem Bedürfnis, Mensch zu sein, der alles sehen und kennen will, und darin sein, zwischen allem, den betörenden Blüten, dem unendlichen Müll. Ich seufzte tief, streichelte die Kachel, streichelte die anverwandelte Claire, nahm sie mit, legte sie auf meine spartanische Anrichte.
War froh, dass mein Vater nicht Recht hatte, nie außer heute, schlafe süß, alter Mann. Schlafe süß und kraftvoll, liebe Claire. Ich schloß die Fenster, an denen die Wolken so oder so vorbeizogen in ihrer eigenwilligen Richtung, und Patti Smith sang gerade den Schlussakkord.
wasserfrau - 15. Aug, 22:59
Ich hatte die schöne Kachel aus dem Urlaub vor mir liegen. Erstanden am vorletzten Tag in Teguise. Eine einzelne Kachel, wie sie dort oft auf der Insel solitär verkauft wurden, rot und grün umfasst von Hand, ein Einzelstück. Wollte man sich ein Bad damit umbauen, man müsste schon richtig Geld haben. Eine Eingebung, als ich sie griff. Der Mann sagte: “Ja, und was willst du denn damit?“
Der frühe Pilger steckte sich ein „Pilgerzeichen“ aus Zinnblei an den Hut, nähte es sich an den Mantel oder nagelte es nach seiner Rückkehr an die heimische Haustür. Eine Eingebung. „Ich will halt.“
Einen Stift hatte ich besorgt, mit dem sich Keramik beschriften lässt. Mit ihm wollte ich meinen neuen, falschen, alten, richtigen Namen in den freien druchmaserten Raum des gebrannten Quadrats schreiben.
...oder nagelte es nach seiner Rückkehr an die heimische Haustür.
Ich bedauerte mal wieder meine weitgehend fehlende künstlerische Begabung. Im Praktischen. Eine gewisse ästhetische Begabung im Kontemplativen, im Genuss, im Erkennen sprach ich mir durchaus zu. Claire Gontorra sollte da stehen, mein Name: zugleich schwungvoll, bestimmt, aber auch zart. Ich hatte eine klare Vorstellung, wie es aussehen sollte. Vielleicht kann man das in Auftrag geben. Es gibt ja außerordentlich begabte Menschen. Denen erzählt man diffus, wie es sein soll – und sie kriegen es hin. Mein Friseur zum Beispiel, an guten Tagen, es funktionierte nicht immer. Aber ich wollte mich taufen mit diesem Schriftzug, das musste ich schon selbst machen. Mit Bleistift hatte ich auf Dutzenden von DinA4-Blättern geübt, bis sich der Schriftzug, genervt, gelangweilt wiederholt immer mehr von der Vorstellung entfernte. Claire Gontorra hatte nämlich Vorstellungen.
Endlich fasste ich mir ein Herz, die Tat war wichtig, der Schritt, viel wichtiger als jedes Ideal. Hatte ich mich nicht mit Idealen auf der Stelle tretend aufgehalten, aber ja. Es wurde noch kein Himmel gestürmt, dem die Erde fehlte, liebe Claire. Ein kleiner Schritt für die Menschheit... Und beherzt taufte ich mich mit einem Schriftzug.
Das Ergebnis gefiel mir gar nicht so schlecht. Nun nur noch den Kleber aufstreichen, und dann festdrücken neben die Haustür und die Kachel für immer, immer, pph, ja gerne hätte ich gerade ein Immer gehabt, die Kachel für ab jetzt, ab jetzt, ab jetzt, an die Hauswand, neben die dunkelbraune hölzerne Tür, meinen Eingang, meinen Ausgang, mein JETZT. Für das Ritual griff ich ein CD-Orakel und steckte die Oblate blind ins Gerät. Die Fenster waren weit offen und als ich draußen zu werkeln begann, hörte ich wie Patti Smith, so sanft, so intensiv zu mir sang, zu mir schwebte, mit mir schwebte. Eindringlich. Eine gute Wahl.
...und nagelte es nach ihrer Rückkehr an die heimische Wand.
Vermischung, ganz klein.
wasserfrau - 15. Aug, 21:43