Das Leben der Anderen

Mittwoch, 18. Juli 2007

Seltsame...

...Traumabewältigungschance

P. ruft an, der mit mir in N. war, damals in Thüringen. P. kurz und mit Knall rausgeflogen. Ich (viel zu) lang und selbst entsorgt. ich weiß jetzt nicht, was mehr kostet. Dieses VIELZULANG bei mir hat schon auch gekostet und ich knabbere immer noch dran.

Er leidet jetzt auch wieder, ich ganz Mami, höre zu, aber egal. Dann sagt er: Wenn ich jetzt mit dir wie damals ein Bier trinken gehen könnte. Da fällt es mir wieder ein: Ganz am Anfang, als ich alles noch von der Abenteuerseite nahm, als wäre ich juung... In der abgesifftesten Bahnhofskneipe, die man sich nur vorstellen kann, lachend, erzählend. Tja. Mit diesem seltsam frühgealterten Mann, der nur staunte. Es aber nie vergessen wird. Siehste Mal.

Montag, 28. Mai 2007

Feier II

Die Natur ist überall zugange. Frösche geben ein Geburtstagskonzert, dehnen jedes Ständchen in lange, laute quakende Ovationen. Drinnen im alten Gemäuer im flugs erreichbaren Vorort gibt es mediterrane Speisen vom Büffet. Ein runder Geburtstag, fast 20 Jahre mehr werden gefeiert als gestern. Trotz der politik- und bildungslastigen Szene gibt es überraschenderweise keine Reden, kein Programm. Die gesetzten Gespräche drehen sich um Berufliches, das bei vielen in den letzten Zügen liegt, und um Ferienziele. Erholsam, gesetzt, etwas langweilig irgendwann ist dieses Fest.
Mit Anspannung erwartet das Erscheinen meiner äußerst langjährigen Vorgängerin im Liebesleben, auch der Mann hat sie nicht mehr getroffen. Doch der Raum ist riesig, Geld spielt nicht die Rolle, überall wird gespachelt - und die beiden bleiben sich frostig-distanziert fern.

Sonntag, 27. Mai 2007

Feier I

(war eigentlich schon Feier 2, da am vorangegangenen Sonntag auch schon mal recht ordentlich gefeiert wurde.)

"Vier schlecht französischsprechende Homosexuelle" (Selbstbeschreibung) erzählen von einer Fahrt nach Paris. Und zwar so, dass ich endlich Spaß an dieser Feier bekomme. Und zwar so, dass ich mit zweien von ihnen noch viel Gesprächsstoff und -spaß habe. Der Mann an meiner Seite wird fast eifersüchtig auf zwei witzige, liebreizende Schwule.

Ansonsten: Die anwesenden Frauen fast ausnahmslos erschütternd attraktiv und mit der Zuschaustellung dieser Attraktivität sehr beschäftigt. Sie gehen ernsthaft zu später Stunde ins palastartige Treppenhaus des ebenfalls erschütternd auf schick gemachten Hauses neuesten Frankfurter Stils und fotografieren sich für den Wettbewerb "Wer wird das neue Topmodell". Dabei haben sie viel Spaß. Die mitgebrachten Männer sind eher unansehnliche Schränke. Eine Aufteilung, die ich das letzte Mal mit 17 zu meinem Erschrecken feststellte und die mir in dieser Engführung danach nicht mehr so unterkam. Wir befinden uns in der Werberszene, alle sind um die 40 und sowohl ambitioniert wie auch sehr harmlos-kindlich.

Heimlaufen über Brücke und Park nachts um drei, viele Hasen kreuzen den Weg. Nachtbus erwischt dann doch auf halber Strecke, der kann nicht losfahren wegen Polizeirazzia unbekannten Grundes. Unglaublich schlecht gelauntes Personal. Dann rast der Busfahrer wie ein Henker durch die Stadt, das Ganze wirkt sehr surreal. Vor dem Fenster Zuhause geben die Vögel ein Morgenkonzert, denn sie sehen die Sonne schon blitzen.

Montag, 14. Mai 2007

Suchen und finden II

M. ist wohl erst Mal zur Mutter gefahren. Die musste mit dem Lebensgefährten seine Wohnung auflösen, er hat das wohl nicht mehr geschafft. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht.
Seine ehemalige Freundin C. macht gerade einen weiteren Karriereschritt und will sich abgrenzen. Das verstehe ich, wenngleich ihre Gründe (ungestört Karriere machen!) mir in dieser Form fremd sind. Irgendwie ist sie manisch in funktional gelenkten Bahnen, während er mal wieder in Kurven und Einbrüchen.
Ich werde seine Mutter anrufen. Aber dafür muss man immer ein bisschen Zeit mitbringen. Die Gute erzählt gerne viel. Laut C. ist sie furchtbar weltfremd, was auf ihren Sohn abgefärbt habe. Sie erzählt von Engelsbegegnungen und malt.

Freitag, 11. Mai 2007

Suchen und Finden

Wie gern man doch als Kind gesucht und gefunden wird. Und wie wenig sich das vom Grundgedanken her verändert, selbst wenn man erwachsen geworden ist.

Eben drum. Eben drum wollte ich das Zögern und Zaudern beenden, das lange Rätselspiel, ob ich M., den alten Freund aus Uraltzeiten, als noch alles wild war, dringlich suchen soll, da ich in Sorge bin. Und: Da ich ihn vermisse, wohlwissend, dass es sehr anstrengend sein kann, ihn zu finden und mich zur Verfügung zu stellen.

M. ist, das ist wohl eindeutig, manisch-depressiv, dem offiziellen Sprachgebrauch nach. Als wir jung waren, da war ich recht weit entfernt, mich mit solchen Pathologisierungen ein zu lassen. Und dennoch ist sein Lebensvollzug anstrengend und nicht ungefährlich. Zu Zeiten kann er scheinbar alles, hört auf zu schlafen, rast durch die Welt, macht große, selbstverständlich übergroße Pläne und extreme Schulden. In der Depression taucht er ab, taucht ganz und gar ab. Und dazwischen extremsportet er, taucht tatsächlich durch die Tiefen der Weltmeere und erklettert himmelsstakende Gebirge. Hin und wieder verknüpfen sich diese Aktivitäten mit suizidalen Phantasien, wenngleich sie den Vollzug wohl eher verhindern.

Wir sind so jung nicht mehr, die Illusion der Unsterblichkeit verlässt mich - und auch für ihn, so stelle ich mir vor, kann die Verhinderung auch nur des geringsten Bodens unter den Füßen mit zunehmendem Alter neben der emotionalen zur immer deutlicheren sozialen Katastrophe werden. Nun hat er wieder alles abgebrochen, seine Beziehung, seinen job, ist mit unbekanntem Ziel unterwegs in der Welt.

Ich schrieb ihm eine Mail, u.a.:
Wisse eins: Ich habe stets verstanden, dass du solche Pausen einlegst aus Gründen einer von dir empfundenen Scham über dies und das. Wisse aber auch, dass das von meiner Seite aus völlig überflüssig ist. Ich kenne dich so lange, und ich meine auch recht gut, kenne deine Höhen und Tiefen, deinen großartigen Charme, Wortwitz und Schwung, aber ebenso deine dunkeln Selbstzweifel und persönlichen Katastrophen. Was soll´s also, diese Umständlchkeit und auch den Verlust zu kultivieren, dass du dich vor mir versteckst.

Wenn du kannst, gib einen Laut, wenigstens einen kleinen.


Die Mail kam sofort zurück, mailer-damönenhaft.
Und ich meine, ich werde weitersuchen. Elsas Beobachtung zeigt mir deutlich, dass dann doch diese Zweifel, ich könnte ihm zu Nahe treten, nicht die erste Priorität haben.

Montag, 30. April 2007

Selbstbewusst empfindlich

B. ist groß, elegant und empfindlich gegen alles Mögliche.
Und dabei selbstbewusst, wenn auch immer unter einem gewissen Stresspegel der vielen Abneigungen. Gleichwohl, wo ich zum Beispiel aufkommende Aversionen gegen was auch immer als Unfähigkeit meinerseits zu interpretieren geneigt bin, zu genießen, was andere gut finden, ist sie im Urteilen Zuhause. Angewiedert sein gibt ihr Selbstbehauptung.

Mittwoch, 25. April 2007

Wie verlorene Kinder

Gestern habe ich sie wieder gesehen.
Sie wirkten etwas weniger überraschend als beim ersten Mal – gleichwohl doch noch überraschender, da sie wieder gemeinsam „ausgingen“.
Abends beim Spanier waren sie mir aufgefallen. Zwei kleine, junge, blasse Menschen. Sie wirkten irgendwie zu jung, zu kindlich besser gesagt, um hier die Platten auffahren zu lassen.
Wie jung sie wirklich sind, fiel mir allerdings schwer, einzuschätzen. Sie ist unglaublich klein, hat ein ernstes Gesicht und einen Haarschnitt, der vom Friseur kommt und irgendwie an die Weimarer Republik erinnert. Resolut betrat sie das Lokal und bahnte den Weg zum einzigen freien Tisch, eine übergroße Handtasche schien ihr der Schieber, der ihr diesen Weg freilegte. Ihr Alter zu schätzen fiel mir außerordentlich schwer. Zwischen 18, für das einiges sprach und 30, denn sie hatte ein dreißigjähriges Gesicht an diesem Abend, so voll angestrengter Verantwortung.
In anderer Begleitung hätte sie wohl kaum sehr irritiert. Aber der Junge, der hinter ihr lief, wirkte, wie heute kaum mehr einer wirkt. Kindlich, schüchtern – und irgendwie arm. Gekleidet, wie keiner heute mehr rumläuft. Frühe Achtziger vielleicht, aber auch da hätte die Mutter, eine früh gealterte, diese Klamotten gekauft, und der Knabe hätte Zuhause gewohnt und die elfte Klasse besucht. Ein sehr enges Sweat-Shirt am mageren Körper, in einem verwaschenen Blaulila-Ton. Schlabbrige Jeans, von unprätentiöser Weite, nicht so wie es heute cool ist. Und Locken, die lange keinen Haarschnitt mehr gesehen hatten und so ins Gesicht fielen, wie auf 70erJahreFotos vielleicht noch eher. Die Locken so blass wie das ganze Kerlchen, das einen frühen krummen Gang hatte.
Ich konnte mir keinen Reim machen, ihre Gesichter voll großer Ähnlichkeit. Am ehesten sie die große Schwester – oder doch die Mutter, fragte ich mich kurz –; wären es Geschwister hätte ich ihnen dennoch ein großes Drama angedichtet. So verloren wirkten sie in der Welt, und doch, vor allem sie, als müsse man nun lernen, sich darin zu bewegen. Als seien sie von einem Schiff gestiegen, von weit her, mit ein wenig Geld in der Tasche, vom reichen Onkel, um nun ihr Glück zu machen. Glück? Welches Glück? Außerdem gibt es in Frankfurt keinen Hafen hin zum Ozean, und die Geschichte ist reichlich unwahrscheinlich.
Gestern im Straßencafé schienen sie gleichaltriger. Saßen da, sprachen nicht, er hing auf seinem Stuhl, das gleiche Sweat-Shirt am Leib. Ihre übergroße Tasche trohnte auf dem Stuhl neben ihr. Die Mutter-Theorie zerstob. Eine andere war nicht in Sicht.
Umweht die beiden von einer ganz seltsamen Unnahbarkeit, als säßen sie in einer anderen Welt. Unansprechbar. Als könnte man sie am ehesten in einem Film unterbringen, der aber in Paris spielen müsste.

Samstag, 21. April 2007

Besuch vom Wirbelwind

Plötzlich war A. wieder aufgetaucht. A., an die ich Monate lang mittlerweile mit einem gewissen Grimm gedacht hatte. Die mir Geld schuldete, für eine eindeutig erbrachte Dienstleistung, fristgerecht und gut hatte ich für sie gearbeitet.... Dann erzählte sie von Geldmangel und dann nichts mehr. Sie wurde unerreichbar, trotz der vielen Nummern und Mailadressen und ihrer eklatanten SMS-Freudigkeit. (Ich hasse SMS, aber das nur am Rande.)
So viel Stille, und dann der Sturm. Sie war wieder da, auf allen Kanälen. Dazwischen war sie "im Ausnahmezustand". Das ist sie allerdings immer, und das ist gar nicht dramatisch, sie selbst findet es ja witzig. Für die anderen kann es anstrengend werden. Sie schrieb eine Mail, dass sie in sage und schreibe 6 Städten lebe und arbeite, mit Bahncard 100 durch die Welt düse. Bei den 6 Städten war der kleine Heimatort, an dem Mann und Sohn ihre Ruhe genießen, noch gar nicht dabei.
Eine dieser 6 Städte ist Frankfurt und so tauchte sie auf, als sei sie nie weg gewesen. Am liebsten wäre sie mit mir - beim allerschönsten Wetter - in der stickigen DB-Lounge sitzengebleiben, weil sie es so schick findet, dass sie da kostenlos reinkommt und den lap-top auf den Knien kostenlos Automatenkaffee trinken kann. Toll, toll. Ich schob sie raus in die Stadt.
Wir liefen hinein durch die Schluchten, die A. in Bewegung, das ist das Beste, sie braucht das, um ein wenig ruhiger zu reden. Im Café des Goethehauses tranken wir teuren Wein und bestellten eine Käseauswahl nach Nummern. Es kamen Käsepröbchen en miniature, und die Schwäbin staunte, wie wenig man kriegen kann fürs Geld. Der Käse war so verdammt gut, unglaublich. Luxus kann so schön sein. Und mit großer Geste zahlte die A. Dafür war ich großzügig gegenüber dem heiteren Saxophonspieler, bei dem ich ein Ständchen für A. bestellte. (Er war gerade dafür bezahlt worden, aufzuhören, aber riskierte es, eine kleine Doppeleinnahme.)
Es ging weiter durch die Stadt, wir saßen draußen, wir saßen drinnen und ich schubste sie in die letzte U-Bahn, als sie noch längst nicht aufhören wollte.
In homöopathischen Dosen ist die liebe Frau A. einfach sehr, sehr wirbelwindig unterhaltsam.
Die Balance zu halten, diese Aufgabe wird sie mir aber in den nächsten Wochen wieder auferlegen.

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